Wiesenschaumkraut - Cardamine pratensis

ZAUBERHAFTES

Das elfenhafte und zarte Aussehen des Wiesenschaumkrauts war wohl Anlass für die Sage, dass, wenn man sich mit dem wie von Zauberhand an die Pflanze gehefteten Schaum an einem Maimorgen die Augen reibt, auch Elfen sehen könne.

Im bäuerlichen Brauchtum war das Wiesenschaumkraut lange Zeit eine Zeigerpflanze für Ernte und Wetter. Standen im Mai die Wiesen voll mit der "Hungerblume" bedeutete dies, dass es wenig Heu im Sommer und eine Überschwemmung im Herbst geben würde. Und glaubt man dem alten Volksglauben, so verursacht das Pflücken der "Gewitterblume" oder "Donnerblume" Gewitter und Blitzschläge.

NAMENSDEUTUNG

Der botanische Gattungsname Cardamine ist griechischen Ursprungs - kárdamon ist der Name der orientalischen Kresse, der von kardía = Herz und damao = bändigen herrühren könnte , während der lateinische Artname pratensis (auf den Wiesen wachsend) den häufigen Standort Wiese bezeichnet.

Wegen des charakteristischen Geschmacks kennt das Volk das Wiesenschaumkraut auch als "Wilde Kresse" oder "Wiesenkresse" und weil nur der Kuckuck die kleinen Schaumnester an die Pflanze bringen kann, auch als "Kuckucksblume" (heute weiß man, dass Schaumzirkade dafür verantwortlich ist). Möglich ist auch, dass der deutsche Name daher kommt, da die blass-lila farbenen Blüten die Wiesen im Frühjahr wie mit leicht schwebenden Schaumwolken bedeckt aussehen lassen.

SIGNATUR

Das Wiesenschaumkraut ist ein zartes Pflänzchen mit pastellfarbenen Blüten, die leicht und luftig wirken. Sofort denken wir an zarte Kinder, Elfen und die weiche weibliche Seite sowohl bei Frauen als auch Männern wenn sie sich verletzbar zeigen. In allerkleinsten Dosen stärkt das Wiesenschaumkraut empfindsame Menschen, die ihre Feinfühligkeit und Verletzlichkeit verstecken möchten aus Angst, zurückgestoßen zu werden.

Ganz im Gegensatz dazu steht der scharfe und bittere Geschmack der Pflanze, der durch die Senfölglykoside und Bitterstoffe herrührt. Während die Senföle antibiotisch wirken und den Kopf, die Stirn und die chronisch verstopfte Nase von zähem Schleim  reinigen und für ausreichend Luft in den oberen Atemwegen sorgen, treiben die Bitterstoffe die Gallenfunktion an und entlasten so die Leber. Funktioniert diese schlecht, verschlechtern sich nicht nur die Blutfettwerte, sondern - wie die Psychosomatische Medizin herausgefunden hat - staut sich dort auch Zorn und unterdrückter Ärger, den man auch mal adäquat ablassen sollte.

Als Standort liebt die wasserreiche Pflanze die Bachufer und feuchten Wiesen mit dem kühlen Nass und tatsächlich kühlt sie auf körperlicher Ebene Entzündungen der Blase, die durch Durchnässung entstanden sind. Als Bettbrunzer, Harnsamen und Wasserkraut wird das harntreibende Kraut deshalb manchmal auch vom Volk bezeichnet. In homöopathischen Dosen (C 30) sollte man deshalb auch bei Bettnässen bei älteren Kindern an das Wiesenschaumkraut denken.

BOTANISCHER STECKBRIEF

Botanischer Name: Cardamine pratensis L.

Pflanzenfamilie: Kreuzblütler (Brassicaceae)

Volksnamen: Bettbrunzer, Donnerblume, Gauchblume, Gewitterblume, Harnsamen, Hungerblume, Kuckucksblume, Maiblume, Wasserkraut, Wiesenkresse, Wilde Kresse

Merkmale: Ausdauernde Pflanze mit bis zu 40 cm Höhe. Langgestielte Rosettenblätter, drei- bis elfzählig gefiedert, Stängelblätter schmal-länglich, fiederschnittig und spärlich. Der aufrechte Stängel ist rund, unbehaart, hohl und saftig. Gelegentlich ist dieser mit einem speichelähnlichen und wasserhaltigem Schaum benetzt, in dem sich die Larven der Schaumzirkade entwickeln. Ab dem Spätsommer entwickeln sich bräunliche Samen in einer länglich-eiförmigen Schotenfrucht. Die Fortpflanzung erfolgt sowohl geschlechtlich mit Samen als auch ungeschlechtlich durch Wurzelableger.

Vorkommen und Lebensraum: Europa, Nordasien und Nordamerika auf feuchten und torfigen Wiesen bis in 1700 Höhenmetern, Bachufer, Laub-, Misch- und Auwälder, sandige Teichufer

Blütezeit: März bis Mai

Blütenmerkmale und -farbe: 4 hell-violette, selten weiße Kronblätter mit dunkleren Nerven und gelben Staubbeuteln bilden einen trugdoldigen Blütenstand mit bis zu 20 Einzelblüten.

Sammelhinweise: Gesammelt wird das ganze Kraut (ohne Wurzeln) zu Beginn der Blüte. Gebündelt an einem trockenen und schattigen Ort trocknen. Verwechslungsgefahr besteht mit anderen Schaumkraut-Arten (Alpenschaumkraut, Behaartes Schaumkraut, Bitteres Schaumkraut, Felsenschaumkraut, Kleeblättriges Schaumkraut, Kleinblättriges Schaumkraut, Springschaumschraut, Waldschaumkraut)  und den Schaumkresse-Arten (Cardaminopsis-Arten wie die Felsenschaumkresse, Sandschaumkresse und Wiesenschaumkresse), die als Kreuzblütengewächse auch essbar sind.

ÜBERLIEFERTES KRÄUTERWISSEN

Wenngleich auch Heilanzeigen fehlen, war das Wiesenschaumkraut sicher den alten Heilkundigen bekannt. Auch die Kräuterbücher der Renaissance geben nur spärliche Hinweise. So finden wir das Wiesenschaumkraut unter der Bezeichnung "Gauchblume" oder "Wilde Kreß". Tabernaemontanus (1731) kannte von der "Gauchblum" bis auf die Verwendung der Lauge zum Vertreiben der Kopfläuse keine medizinische Verwendung. Andere Autoren mischten die Cardamine-Arten mit den Nastrium-Arten (Wilden Kressen) und verwendeten die scharfschmeckenden Samen innerlich bei Gallenleiden, zur Förderung der Menstruation; als äußere Anwendung bei Unreinheiten der Haut und Schmerzen im Bewegungsapparat. Mehrere hundert Jahre später lobte Pfarrer Künzle (1945) das Wiesenschaumkraut zum Reinigen "der Gedärme und Lungen".

WILDKRÄUTERKÜCHE

Wie seine Verwandten Kresse, Barbarakraut, Senf und Rettich ist auch das Wiesenschaumkraut essbar und durch die enthaltenen Senföle im Geschmack etwas kresseartig und scharf. Blüten, Knospen und die untersten Blätter vor der Blüte sind nicht nur Dekoration für Salate, sondern passen gut in den Kräuterquark, zu Joghurt, Kräuterbutter, Eierkuchen, zu Pellkartoffeln und zarten Frühlingsgemüsen wie Babymöhrchen. Das deftige Wurstbrot erhält durch darüber gestreute Blüten und Blätter Frische und einen leicht pfeffrig-senfartigen Geschmack. In der Schotenfrucht reifen in den Sommermonaten braune Samen, die durch den scharf-pfeffrigen Geschmack als Ersatz für Pfeffer vor allem zu herzhaften Gebäcken und Gewürzbroten harmonieren.

PHARMAKOLOGIE

Verwendete Pflanzenteile: Frisches oder getrocknetes Wiesenschaumkraut (Cardamine pratensis herba)

Wirkstoffe: Senfölglyoside (Glucosinolate) , Vitamin C, Eisen, Kalium, Bitterstoffe

Wirkspektrum: blutreinigend, blutbildend, gallefördernd, harntreibend, antirheumatisch, antiskorbutisch

Heilanzeigen: Atemwegserkrankungen, Blutarmut, "Blutreinigungsmittel", Harnwegsinfekte, Hauterkrankungen, rheumatische Erkrankungen, Vitamin C-Mangel, zur Stärkung des Immunsystems

Hinweise, Nebenwirkung und Gegenanzeigen: Überdosierungen sind sowohl in der Küche als auch Heilkunde zu vermeiden. Durch die reizende Wirkung der Senföle sollten Patienten mit Magen-Schleimhautentzündungen, entzündlichen Magen-Darmgeschwüren und Nierenentzündungen Zubereitungen des Wiesenschaumkrauts nicht oder nur wohl dosiert anwenden.

HEILANZEIGEN

Das Wiesenschaumkraut stärkt und belebt den ganzen Organismus. Die scharf schmeckenden Glucosinolate wirken leicht antibiotisch und regen die Verdauungstätigkeit an, indem sie die Leber und Gallenblase in der Funktion unterstützen.  Die Leber ist unser zentrales Entgiftungsorgan für fettlösliche Toxine, hingegen die Nieren wasserlösliche Toxine ausscheiden. Hier sorgt der Kaliumanteil des Wiesenschaumkrauts für eine vermehrte Harnproduktion. Kalium und die antibiotischen Eigenschaften ergänzen sich bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen. Durch die Anregung der Nieren- und Leberfunktion hat die traditionelle Anwendung als sogenanntes "blutreinigendes" Mittel bzw. als unspezifische Reiztherapie durchaus Berechtigung, was auch Patienten mit Hauerkrankungen oder rheumatischen Beschwerden zugute kommt. Dazu sorgt Eisen für die Blutbildung und vertreibt die Frühjahrsmüdigkeit, während der hohe Vitamin C-Gehalt das Immunsystem stärkt und Erkältungskrankheiten vorbeugt.  Zudem fördern die Glucosinolate die Bronchialsekretion - zäher Schleim aus den oberen Atemwegen und der Nebenhöhlen kann so besser abfließen.

Das homöopathische Arzneimittel Cardamine pratensis hat als Hauptindikation die begleitende Therapie bei Diabetes. Bei Bettnässen kann auch an Cardamine in Hochpotenzen (C30) gedacht werden.

REZEPTE

Aufguss Wiesenschaumkraut (Cardamine pratensis herba) zur Erhöhung der Harnmenge, bei Harnwegsinfekten, Erkrankungen der oberen Atemwege, rheumatischen Beschwerden und als blutreinigendes Mittel
1 bis 2 gehäufte TL mit 250 ml siedendem Wasser übergießen. 5 - 10 min ziehen lassen, anschließend abseihen. Die Tagesdosis beträgt nicht mehr als drei Tassen.

Als äußere Anwendung  kann aus einem stärkeren Aufguss eine Kompresse auf schmerzende und entzündete rheumatische Gelenke oder Hautstellen gelegt werden.

Wiesenschaumkraut-Presssaft zur Vitamin C-Versorgung und Blutbildung
Eine Handvoll Kraut mit dem Mixer pürieren. Das wässrige Gemisch durch ein leinernes Tuch auspressen. Von dem gewonnenen Saft nicht mehr als 3 EL pro Tag zu sich nehmen.

Zur Frühjahrskur: Je eine kleine Handvoll Wiesenschaumkraut, Löwenzahn, Sauerampfer und Brunnenkresse mit vier Löffeln Orangensaft im Mixer zerkleinern. Mit einem Glas Mineralwasser oder Buttermilch auffüllen. Wem die Mischung zu bitter ist, kann etwas Honig hinzufügen.

 

LITERATUR
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Kroeber Ludwig: Das neuzeitliche Kräuterbuch, Band II, Hippokrates Verlag, Stuttgart 1935
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